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Digitales Gedenkbuch für verfolgte und vertriebene Mitglieder, Gesellschaft der Ärzte

Gesellschaft der Ärzte in Wien präsentiert digitales Gedenkbuch

623 Biografien kehren zurück in die Geschichte der Wiener Ärzteschaft

Die Gesellschaft der Ärzte in Wien widmete sich Anfang Dezember im Rahmen eines hochkarätigen Symposiums einem zentralen und schmerzlichen Kapitel ihrer Geschichte: der Vertreibung jüdischer oder politisch verfolgter Ärztinnen und Ärzte im Jahr 1938. Mit der Präsentation eines digitalen Gedenkbuchs wurde ein umfassendes, frei zugängliches Erinnerungsprojekt vorgestellt, das jenen ehemaligen Mitgliedern ein würdiges Denkmal setzt, die in der Zeit des Nationalsozialismus entrechtet und aus der Wiener Ärzteschaft verdrängt wurden.

Unter dem Titel „Verantwortung und Erinnerung: Das digitale Gedenkbuch der verfolgten und vertriebenen Mitglieder der Gesellschaft der Ärzte in Wien 1938“ wurde am 3. Dezember die erste Fassung des digitalen Gedenkbuchs präsentiert – ein Gemeinschaftsprojekt der Gesellschaft der Ärzte in Wien mit dem Institut für Ethik, Sammlungen und Geschichte der Medizin der Medizinischen Universität Wien (Leitung von Univ.-Prof. Dr. Herwig Czech).

„Im Jahr 2022 haben wir begonnen, die Jahre 1930 bis 1960 – einer Zeit, die auch an der Gesellschaft der Ärzte in Wien tiefgreifende Spuren hinterließ – kritisch zu diskutieren und systematisch in Kooperation mit Univ. Prof. Dr. Herwig Czech und seinem Mitarbeiter, Dr. Josef Hlade, aufzuarbeiten“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer, Past-Präsidentin und Initiatorin des Forschungsprojekts. Drei Symposien bildeten bisher zentrale Stationen dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung; die Ergebnisse werden in Kürze in der Wiener klinischen Wochenschrift publiziert. „Das digitale Gedenkbuch ist ein weiterer wesentlicher Baustein unserer aktiven Erinnerungskultur.“ Federführend bei der Erstellung war Dr. Josef Hlade. Hung Dien, MSc. war von Seiten der Gesellschaft der Ärzte für die technische Umsetzung verantwortlich.

Dabei wurde tief in die Archive geblickt. „Grundlage des Gedenkbuches waren das Mitgliederverzeichnis von 1938 sowie die damals geführten Mitgliederkarteikarten“, beschreibt Dr. Hermann Zeitlhofer, Historiker und Archivar der Gesellschaft. „Von den 890 Mitgliedern, die die Gesellschaft damals führte, konnten 623 Personen – also rund 70 Prozent – als Verfolgte identifiziert werden. Etwa 540 von ihnen wurden aus antisemitischen Gründen ausgeschlossen, die übrigen vorwiegend aufgrund politischer Verfolgung.“ Für jede dieser Personen wurden Name, Fachrichtung, Wohnadresse, Mitgliedschaftsdaten sowie vorhandene biografische Informationen rekonstruiert und die Originaldokumente digital eingebunden. Volc-Platzer betont: „Wir schaffen für Menschen, denen Unrecht geschehen ist, einen digitalen Ort des Erinnerns.“

Erinnerungskultur im digitalen Raum – ein wachsendes Archiv

Das Gedenkbuch ist so angelegt, dass es bestehende Forschungs- und Erinnerungsinitiativen sinnvoll verbindet. Über Verlinkungen wird der Zugang zum Gedenkbuch der Universität Wien, dem Van Swieten Blog der Medizinischen Universität Wien und zu den Gedenkbüchern des Josephinums ermöglicht. Der Plan ist auch, das Gedenkbuch laufend zu erweitern. „Die Plattform bleibt „work in progress“: Angehörige, Forschende und Interessierte sind eingeladen, fehlende Informationen beizusteuern. Entsprechende biografische Hinweise können an gedenkbuch@billrothhaus.at übermittelt werden“, so Zeitlhofer. Nach sorgfältiger Prüfung werden diese Informationen dann ergänzt. All dies macht die neue Plattform von einer reinen Datenbank zu einem wachsenden, lebendigen Archiv.

Mit diesem Projekt setzt die Gesellschaft der Ärzte ein klares Zeichen: „Erinnern ist ein aktiver Prozess. Eine lebendige Erinnerungskultur vermittelt nicht nur die glanzvollen Höhepunkte einer medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaft, sondern schafft auch Bewusstsein für und Andenken an jene Mitglieder, die Opfer des Holocaust wurden. Mit dem digitalen Gedenkbuch will die Gesellschaft der Ärzte in Wien die Auswirkungen der nationalsozialistischen Ideologie in den eigenen Reihen sichtbar machen, das Wissen um diese kritische Phase der Vergangenheit fördern und das Verantwortungsbewusstsein nicht nur für medizinische, sondern auch für gesellschaftliche Konsequenzen von extremen Ideologien stärken“, so Volc-Platzer und Zeitlhofer.

Ermöglicht wurde dieses bedeutende Projekt durch die Unterstützung des Zukunftsfonds der Republik Österreich sowie des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus sowie des Magistratischen Bezirksamts für den 9. Bezirk und der Kulturabteilung der Stadt Wien.

Das digitale Gedenkbuch ist unter www.billrothhaus.at/gedenkbuch frei zugänglich.

   
Podcast „Hörgang“: Past-Präsidentin Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer und Medizinhistoriker und Bibliothekar Dr. Hermann Zeitlhofer im Interview.

Impressionen der Präsentation im Rahmen des Symposiums „Verantwortung und Erinnerung: Das digitale Gedenkbuch der verfolgten und vertriebenen Mitglieder der Gesellschaft der Ärzte in Wien 1938“:

 

© Stefan Burkhart